Beschluss vom 06.03.2025 -
BVerwG 2 B 49.24ECLI:DE:BVerwG:2025:060325B2B49.24.0
Beschluss
BVerwG 2 B 49.24
- VG Regensburg - 06.07.2022 - AZ: RO 1 K 20.337
- VGH München - 31.07.2024 - AZ: 3 B 23.158
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hissnauer
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Klägerin wendet sich gegen die ihr erteilte Probezeitbeurteilung.
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1. Die ... geborene Klägerin steht als Kriminalhauptkommissarin (Besoldungsgruppe A 11 LBesO BY) im Dienst des beklagten Freistaats. Mit Wirkung vom 1. September 2014 wurde sie in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen. In der für den Zeitraum 1. November 2016 bis 31. Oktober 2018 erstellten und ihr unter dem 31. Oktober 2018 eröffneten Probezeitbeurteilung erhielt die Klägerin im Gesamturteil sechs Punkte. Fünf der insgesamt 15 Einzelmerkmale wurden doppelt gewichtet. Bei drei der doppelt gewichteten Einzelmerkmale erhielt die Klägerin sechs Punkte, bei den beiden weiteren Einzelmerkmalen jeweils sieben Punkte. In der Probezeitbeurteilung findet sich unter Ziff. 3 folgende "ergänzende Bemerkung":
"Das Gesamturteil beruht auf einer wertenden Gesamtschau insbesondere der doppelt gewichteten Einzelmerkmale, ohne dass einem dieser Merkmale im Verhältnis zu den anderen ein überragendes Gewicht zugemessen wird."
3 Der gegen die Probezeitbeurteilung erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin eine neue Probezeitbeurteilung zu erteilen, weil die Anforderungen an die Begründung des Gesamturteils nicht gewahrt seien. Der Begründung lasse sich nicht entnehmen, welches Gewicht den nicht doppelt gewichteten Einzelmerkmalen zugemessen worden sei. Auch sei nicht ersichtlich, ob die nicht doppelt gewichteten Einzelkriterien bei der Bildung des Gesamturteils überhaupt berücksichtigt worden seien und ― bejahendenfalls ― mit welchem Gewicht.
4 Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des beklagten Freistaats das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die Probezeitbeurteilung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dem Erfordernis der Begründung des Gesamturteils sei noch hinreichend Genüge getan worden. Berücksichtige man die doppelte Gewichtung der nach der Beurteilungsbekanntmachung doppelt zu gewichtenden fünf Kriterien sowie die einfache Gewichtung der übrigen zehn Kriterien, ergebe sich ein rechnerischer Durchschnitt von 6,5 Punkten. Aus der ergänzenden Bemerkung in der Beurteilung werde deutlich, dass auf der zweiten Stufe der ergänzenden Würdigung der Einzelmerkmale besonders diejenigen in den Blick genommen würden, die doppelt gewichtet worden seien. Ausgehend hiervon sei bei der ergänzenden Gesamtschau das arithmetische Mittel der doppelt gewichteten Einzelmerkmale zugrunde gelegt worden. Das Gesamturteil von sechs Punkten sei nach alledem nachvollziehbar.
5 2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
6 a) Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
7 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - juris Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9, vom 24. April 2017 - 1 B 70.17 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 68 Rn. 3 und vom 27. November 2024 - 2 B 1.24 - juris Rn. 16).
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Die von der Beschwerde sinngemäß als klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob Ziff. 3 der Probezeitbeurteilung zu entnehmen ist, welches Gewicht den nicht doppelt gewichteten Einzelmerkmalen zuzumessen ist,
9 führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie als Tatsachenfrage schon keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage betrifft (vgl. zu Beurteilungsrichtlinien BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2013 - 2 B 104.11 - juris Rn. 5 m. w. N.). Weder bei Ziff. 3 der Probezeitbeurteilung noch der hierin enthaltenen ergänzenden Bemerkung handelt es sich um Rechtsnormen oder deren inhaltsgleiche Wiedergabe. Art. 59 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410, 571), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes zur Änderung des Leistungslaufbahngesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 22. Mai 2013 (GVBl. S. 301) – LlbG 2013 –, sieht lediglich vor, dass die für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Gründe in den "ergänzenden Bemerkungen" darzulegen sind, ohne dass sich der Norm inhaltliche Vorgaben hierzu entnehmen lassen.
10 Die Bestimmung des Inhalts der ergänzenden Bemerkung in Ziff. 3 der Probezeitbeurteilung der Klägerin ist mangels Rechtsnormcharakter revisionsrechtlich folglich nicht Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung, die nur mit einer Verfahrensrüge angegriffen werden kann.
11 Eine entsprechende Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen die Einhaltung allgemeiner Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsgrundsätze (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 1993 - 2 B 109.93 - juris Rn. 5, vom 18. Februar 2011 - 2 B 53.10 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 39 Rn. 11 und vom 18. Dezember 2024 - 2 B 13.24 - juris Rn. 6) gerügt wird, lässt sich der Beschwerde jedoch nicht entnehmen.
12 Ungeachtet dessen begegnet die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die nicht doppelt zu gewichtenden Einzelmerkmale nur einfach zu gewichten sind, auch keinen rechtlichen Bedenken.
13 Nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 LlbG 2013 sind bei der Bildung des Gesamturteils die bei den Einzelmerkmalen vergebenen Wertungen unter Berücksichtigung ihrer an den Erfordernissen des Amtes und der Funktion zu messenden Bedeutung in einer Gesamtschau zu bewerten und zu gewichten. In Anknüpfung hieran bringt Nr. 3.2.1 Satz 2 der Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz (- BUBek-Pol/VS -) i. d. F. der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2017 (AllMBl. 2018 S. 3) zum Ausdruck, dass das Gewicht der einzelnen Beurteilungsmerkmale, je nach ihrer an den Erfordernissen des Amtes zu messenden Bedeutung, sehr unterschiedlich ist, weshalb nach Satz 3 ("aus diesem Grunde") für die Bildung des Gesamturteils fünf Einzelmerkmale doppelt zu gewichten sind, die die an die Beamten zu stellenden Anforderungen in besonderem Maße prägen. Die diesbezüglich aufgeführten Einzelmerkmale Arbeitsgüte, Eigeninitiative/Selbstständigkeit, Teamverhalten, geistige Beweglichkeit und Fachkenntnisse sind auch bei der Klägerin doppelt gewichtet worden. Die ausdrückliche Anordnung der doppelten Gewichtung von abschließend bezeichneten Einzelmerkmalen stellt erkennbar eine Abweichung dar und lässt nur den - vom Berufungsgericht gezogenen (vgl. UA S. 16 Rn. 40) – Schluss zu, dass die übrigen Einzelmerkmale einfacher Gewichtung unterliegen.
14 b) Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
15 Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründende "Abweichung" liegt nur vor, wenn zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht. Die Divergenzrüge setzt deshalb die Darlegung eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes voraus. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3, vom 14. Dezember 2023 - 2 B 45.22 - juris Rn. 16 und vom 18. Dezember 2024 - 2 B 21.24 - juris Rn. 7).
16 Die von der Beschwerde behauptete Divergenz zwischen der angegriffenen berufungsgerichtlichen Entscheidung und dem Urteil des Senats vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - (BVerwGE 180, 292) liegt nicht vor.
17 In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass weder Art. 33 Abs. 2 GG noch § 9 BeamtStG (s. a. § 9 Satz 1 BBG) unmittelbar vorgeben, wie die einzelnen Auswahlkriterien in einer dienstlichen Beurteilung zu gewichten sind. Im Rahmen des ihm zustehenden Spielraums ist es daher Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 32 m. w. N.; s. a. BVerwG, Urteil und vom 17. September 2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 24). Die erforderliche Gewichtung der Einzelmerkmale darf weder mit Bezug auf den konkret durch den Beamten innegehabten Dienstposten noch durch verschiedene Beurteiler unterschiedlich erfolgen. Vielmehr muss der Dienstherr dafür Sorge tragen, dass die Gewichtung einheitlich vorgenommen wird. Welche Methode er zur Erreichung dieses Ziels verwendet, unterliegt seinem Organisationsermessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240 Rn. 45).
18 Die Festlegung, welches Gewicht den einzelnen in der dienstlichen Beurteilung vorgesehenen Merkmalen beigemessen werden soll, kann auch vorab und generell in den Regelungen für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen getroffen werden, weil hierdurch die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet wird. Ein Dienstherr kann etwa vorgeben, dass die Bewertung in einem bestimmten Beurteilungsbereich oder in einem Einzelmerkmal zu einem bestimmten Prozentsatz oder mit einem bestimmten Faktor im Vergleich zu anderen Einzelmerkmalen in die Gesamturteilsbildung einfließen soll. Ein derartiges Gewichtungsmodell liegt insbesondere nahe, wenn eine Vielzahl von Kriterien zur Bewertung gestellt wird, die nicht gleichrangig für eine sachgerechte Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden sollten (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366 Rn. 69).
19 Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen auf die Auswahl nach Art. 33 Abs. 2 GG bezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf - sofern sie nicht bereits vorab und generell in Beurteilungsbestimmungen getroffen worden ist - schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Die Begründung des Gesamturteils hat schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Sie ist materieller Bestandteil der dienstlichen Beurteilung und kann nicht erst im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2023 - 2 A 7.22 - BVerwGE 180, 292 Rn. 32 m. w. N.).
20 Einen hiervon abweichenden rechtlichen Maßstab hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes zeigt die Beschwerde auch nicht auf. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Rüge bloßer Subsumtionsfehler, mit denen sich der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerade nicht begründen lässt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. September 2019 - 3 B 28.18 - juris Rn. 7 und vom 7. August 2024 - 2 B 10.24 - juris Rn. 17). Soweit die Beschwerde das im Beurteilungsbeitrag vorgeschlagene Gesamturteil als nicht plausibel erachtet, ist hierauf im Sinne des Berufungsgerichts zu antworten, dass der Beurteiler an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht in der Weise gebunden ist, dass er sie in seine Beurteilung "fortschreibend" übernehmen muss, sondern seine Bewertung in eigener Verantwortung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung trifft, die jedoch die durch den Beurteilungsbeitrag vermittelten Erkenntnisse einzubeziehen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 2021 - 2 A 3.20 - BVerwGE 173, 213 Rn. 32 m. w. N.). Eine Divergenz in dem beschriebenen Sinne legt die Beschwerde im Übrigen auch insoweit nicht dar.
21 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 10.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.